Was ist „klimapositive Nahrung“?

By | September 11, 2015

Klimapositive Nahrung erzeugt bei Herstellung und Vertrieb bis zum Tisch des Verbrauchers keine klimaschädlichen Gase. Sie weist eine positive Energiebilanz auf, das heißt, die Energie in der Nahrung kommt aus dem Boden, dem Wasser und der Sonne und nicht aus fossilen Energieträgern.

Beispiel: Ein traditioneller Bauer mit Hacke kann mit seiner Arbeit 10 Menschen ernähren. Er braucht dafür ein kleines Stück Land und ein paar Tiere, aber keinen externen Dünger, keine Kohle, Öl und Gas, keine Insektenvernichter und Unkrautvertilger. Der Dünger kommt vom Kompost und vom Mist, Unkraut jäten gehört zu seiner Arbeit. Die Insekten sind Vogelnahrung. Der Bauer hängt für die Vögel Brutkästen auf und schafft weitere Lebensräume für Nützlinge.

In diesem Fall ist die Energiebilanz ganz einfach: Der Bauer isst für eine Person und gewinnt aus dem Essen die Energie, um 10 Personen zu ernähren. Die hineingesteckte Energie verzehnfacht sich.

Die sogenannte „moderne Lebensmittelwirtschaft“ heute, das rechne ich in diesem Blogeintrag vor, verbraucht im weltweiten Durchschnitt 10mal so viel Energie, wie sie an Nährwert liefert. Sie ist also energetisch 100 mal schlechter als der Bauer mit der Hacke.

Heißt das, wir sollen zurück zur Hackbauern-Wirtschaft?

Nein. Für das Klima wäre das nicht schlecht. Allerdings gibt es mindestens zwei Probleme, die das verhindern:

  1. Hackbauernwirtschaft verbraucht zu viel Platz, um davon 10 Milliarden Menschen zu ernähren
  2. Jeder Zehnte müsste das Leben eines Hackbauern führen

Es gibt auch noch reichlich weitere Hinderungsgründe. Die Erzeugnisse eines Hackbauern passen nicht gut zu den Ernährungsgewohnheiten eines modernen Erdenbürgers. Die stark dezentrale Erzeugung von Essen passt nicht zur Konzentration der Bewohner auf wachsende Stadtgebiete und Metropolregionen. Die Erzeugnisse müssten also kleinteilig eingesammelt, gebündelt und in die Städte transportiert werden. Das würde die Klimabilanz verschlechtern

Und: Was geht?

Die wesentliche Idee einer zukünftigen klimapositiven Nahrungsherstellung ist, dass die Natur die Arbeit macht; Nicht die Maschinen, nicht der Mensch.

Die Aufgabe des Menschen ist, essbare Waldgärten anzulegen, die große Mengen Klimagase in Tieren und Pflanzen binden und zwar von Jahr zu Jahr mehr. Dabei erzeugen die Waldgärten reichlich Nahrung für Menschen, Vieh und Wild. Um jede Siedlung und jede Stadt zieht sich ein Grüngürtel, der aber nicht mehr aus unproduktiven Wäldern und Wiesen besteht, sondern aus, in vielen Ebenen, von der Wurzel bis zum Wipfel sorgfältlig angelegten essbaren Waldgärten mit sehr hoher Artenvielfalt (Tiere, Pflanzen, Kleinstlebewesen, Mikroorganismen).

Wozu soll die Biodiversität gut sein?

Die Biodiversität (Artenvielfalt) an dauerhaften, mehrjährigen und einjährigen Pflanzen, an Wildtieren und Vieh, sowie an Insekten, Würmern und Mikroorganismen erfüllt all die Funktionen, die in einem herkömmlichen Betrieb von Menschen, Maschinen oder Chemikalien geleistet werden:

Gänse jäten Unkraut, Schweine fressen Fallobst, Hühner, Kröten, Frösche, Eidechsen und Wildvögel kümmern sich um die Insekten, Wurzelgeflecht und Würmer lockern den Boden und machen ihn fruchtbarer, Leguminosen binden Stickstoff aus der Luft, Pflanzenkrankheiten können sich nicht störend ausbreiten, weil viele verschiedene Pflanzen zusammen wachsen, der Geruch der einen Pflanze vertreibt Schädlinge von einer anderen Pflanze, Nützlinge fressen Schädlinge, …

Ein solches System ist hochkomplex und es erfordert viel Beobachtungsgabe, Geduld, Wissen, Erfahrung und Ortskenntnis bis es sich selbst dauerhaft und ohne größere Eingriffe reguliert. Ist diese „Aktivierungsenergie“ investiert, muss der Mensch nur noch säen, ernten und ab und zu nach dem Rechten sehen. Denn Wetterkapriolen, eingeschleppte oder eingewanderte Arten und langfristige Zyklen, die sich erst nach 10, 15 oder 25 Jahren auswirken, können ein scheinbar stabiles Gleichgewicht auch später noch kippen lassen.

Unter dem Strich

Eine solche essbare Waldgartenkultur ist stark klimapositiv, hoch produktiv und braucht auf Dauer kaum Bedienpersonal. In der Nähe von Städten und Siedlungen angelegt, enstehen nur wenig Transportkosten. Solche Gärten können im Besitz einer Genossenschaft sein, deren Mitglieder dort ernten dürfen und von Überschussverkäufen profitieren. Ein professioinelles Waldgartenmanagenment überwacht die Funktion und greift ggf. korrigierend ein. Dafür werden sie als Angestellte oder Berater von der Genossenschaft bezahlt.

Hier die Webseite von Dave Jacke, dem  Autor eines sehr guten Anleitungsbuchs

Und hier die Website seines Co-Autors Eric Toensmeier

4 thoughts on “Was ist „klimapositive Nahrung“?

  1. Fritz Jörn

    Ist ja ganz nett, Frank, und verständlich geschrieben. Utopien haben’s schwer. Das hat uns schon der Kommunismus gezeigt, eine gute Idee, die uns das letzte Jahrhundert versaut hat; na ja, andere Dinge auch, sollte nur ein Beispiel sein. Zum Hackbauern. Macht seine Frau das Essen warm? Wie? Sitzen sie am Abend in ihrem essbaren Waldgürtel im Dunklen? Kriegen viele Kinder? Vor allem: Machen die das freiwillig mit, wenn der Nachbar einen Traktor hat – von mir aus einen mit Federmotor oder elektrisch angetriebenen? Haben sie fließend Wasser? Und nicht nur der Mensch muss da mitmachen. Die Natur ist keineswegs friedlich, harmonisch, ausgeglichen, im Gleichgewicht. Sieh dir Straßenränder an: Dickicht, Gestrüpp, Abfall. Womit wir zur Kanalisation kommen, zu den Pampers, den Hamburgern oder Fischstäbchen aus der Tiefkühltruhe, auf die Hackbauers Frau Gusto hat, von den Kindern ganz zu schweigen. Außerdem wollen die Fernsehen schauen statt hacken. 1984. Wie gesagt, schön gesponnen, und das meine ich positiv! Wie das Leben in christlicher Nächstenliebe. Schön. – Ich bin da eher für ad-hoc-Anpassung, wie das da heißt: »Unser tägliches Brot gib uns heute.« Hier wird ganz bewusst kurzfristiges Denken empfohlen, ein Aus-der-Hand-in-den-Mund, sonderbar. Und gleich danach Mat. 6, 28.

  2. FrankFremerey1966 Post author

    Danke Fritz, bleib mir treu und Du wirst sehen, wie sich das Bild zu meinem Buch zusammenfügt. Neben der “grünen Infrastruktur, die m.E. heute besonders im Argen liegt, befasse ich mich auch sehr ausführlich mit der “grauen Infrastruktur”.

    Wir können vielleicht viele Kläranlagen durch Pflanzenfilter ersetzen und Giftschlämme durch Mikroorganismen reinigen lassen; die 3.000 bis 2050 geplanten neuen Kohlekraftwerke weltweit erfordern jedoch dringend andere Ideen.

    Was physikalisch geht und was nicht, hat für den Energiesektor der Cambridgeprofessor David MacKay für England, Europa und den ganzen Planeten ausgerechnet. Was man davon will, kann dann jeder für sich selber rausfinden, denn sein Buch ist kostenloas in vielen Sprachen zum Download bereit und zwar hier: http://withouthotair.com/

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